Buch Schreiben

Schreiben und KI: Was generative KI für Autor:innen leisten kann

Inhalt

  1. Generative Text-KI: Sprachmodelle verstehen und beherrschen
  2. Der Nutzen von künstlicher Intelligenz für das kreative Schreiben und Überarbeiten: Ausgewählte Anwendungsfelder generativer Text-KI für Autor:innen
  3. Beispielprompts für die Textarbeit mit generativer KI
  4. Chatbots als Lektoratsersatz für Selfpublisher:innen?
  5. Die Krux mit dem Urheberrecht: Plagiate verkaufen?
  6. Fazit

Generative Text-KI: Sprachmodelle verstehen und beherrschen

Buchmarkt und Literaturbranche befinden sich im Umbruch: Generative KI – allen voran die Sprachmodelle ChatGPT, Claude und Co. – wirbelt etablierte Lese- und Schreibgewohnheiten gehörig durcheinander. Doch wie funktionieren diese Modelle eigentlich?

Das Herzstück bilden künstliche neuronale Netze, die anhand riesiger Textdatenbanken trainiert werden. So lernen KI-Tools wie Chatbots, Sprache auf einem Niveau zu verstehen, zu verarbeiten und eigenständig zu generieren, das dem menschlichen erstaunlich nahekommt. Sprachmodelle erkennen komplexe linguistische Muster, erfassen meist – aber nicht immer! – Kontext und Bedeutung und können kohärente, kreative Texte erstellen. Durch kontinuierliches Training verbessern sie stetig ihre Fähigkeiten – sei es bei der Textgenerierung, beim Übersetzen oder bei Rechercheaufgaben. Die auch als „Large Language Models“ (LLM) bekannten Sprachmodelle eröffnen Schreibenden damit völlig neuartige Möglichkeiten, um ihre Projekte zu optimieren.

Doch so verlockend die Aussicht auf ein hochgradig individualisiertes und perfektioniertes Schreib- und Leseerlebnis auch sein mag, birgt die Zusammenarbeit von Autor:innen mit generativer Text-KI auch Risiken für die Vielfalt der Literaturlandschaft. Die Vorstellung, dass KI-generierte Texte einfach wieder von der Bildfläche verschwinden, ist jedenfalls eine Illusion, und die schiere Menge an (nicht lektorierten) KI-Texten, die in den Buchmarkt eingespeist wird, wird unweigerlich die kognitiven Prozesse und die individuelle Sprachdoktrin der Leser:innen beeinflussen.

Angesichts dieser Entwicklung sollten sich Autor:innen intensiv mit den Potenzialen und Herausforderungen generativer Text-KI auseinandersetzen. Nur so können Schreibende Strategien entwickeln, die ihnen dabei helfen, diese Technologie gewinnbringend zu nutzen, ohne Qualitätseinbußen für ihr literarisches Schaffen zu riskieren. Das Ziel sollte darin bestehen, gemeinsam mit der KI Texte zu erstellen, die perfekt auf die Bedürfnisse der Lesenden zugeschnitten sind, gleichzeitig jedoch eine unverwechselbare menschlich-kreative Handschrift tragen. Die Zukunft der Literatur liegt – zumindest teilweise – in einer klugen Symbiose aus künstlicher und menschlicher Intelligenz.

Der Nutzen von künstlicher Intelligenz für das kreative Schreiben und Überarbeiten: Ausgewählte Anwendungsfelder generativer Text-KI für Autor:innen

KI-Tools können Schreibende in praktisch jedem Aspekt des Schreibprozesses unterstützen. Die Zusammenarbeit mit einer KI sollte dabei stets als Kooperation mit einer kongenialen Partnerin betrachtet werden, die das eigene Schreiben um spezifische Fähigkeiten bereichert, ohne die authentisch menschliche Kreativität und Originalität zu ersetzen. Wissen Autor:innen über die Fallstricke der Arbeit mit Chatbots Bescheid, bietet die KI vielfältige Möglichkeiten, den Schreib- und Überarbeitungsprozess zu optimieren.

Neben der reinen Textarbeit können KI-Tools dabei helfen, den Alltag schreibfreundlicher zu gestalten, bei Schreibblockaden motivieren und Lösungsansätze anbieten sowie Inspirationen, Einfälle und Ansätze liefern, um kreative Lücken zu füllen. Auch bei der Zielgruppenbestimmung, Titelfindung und Anpassung an Marktkriterien sowie bei der Erstellung von marketing- und zielgruppenspezifischen Texten wie Kurzbeschreibungen, Klappentexten oder Autor:innenwebseiten kann die KI eine wertvolle Unterstützung sein. Hinsichtlich der Figurenzeichnung, Kapitelstrukturierung und -ausformulierung können KI-Anwendungen ebenfalls dazu beitragen, die Texterstellung anzuleiten und zu erleichtern, während Plot- oder Logiklücken mithilfe der KI identifiziert und behoben werden können. Ein weiterer Anwendungsbereich von KI für Autor:innen liegt in der Kommunikation und dem Austausch. Chatbots können als neutrale, wertfreie Ansprechpartner in jenen Projektphasen dienen, in denen Schreibende sich mit ihrem Vorhaben noch nicht in die Öffentlichkeit wagen. Als unerschöpfliche Quelle für den Austausch über Ideen, Texte und das Schreiben selbst können sie die Schreibmotivation fördern und Vorschläge für den nächsten Schritt machen.

Ferner bieten Bildgeneratoren Autor:innen die Möglichkeit, durch die Erstellung von Bildern und visuellen Szenen Inspirationen für die Figurenentwicklung und Erzählung zu gewinnen. Für die sprachliche Optimierung von Texten kann KI als Ersatz für Synonymdatenbanken zur Zeitersparnis und kontextgenauen Synonymfindung oder zur Verbesserung von Stil, Grammatik, Syntax und Interpunktion eingesetzt werden. Bewährte Textverarbeitungsprogramme werden in Zukunft vermutlich vermehrt um KI-Funktionen für Rechtschreibprüfung und Stilanalyse ergänzt.

Beispielprompts für die Textarbeit mit generativer KI

Geben Autor:innen der KI Hintergrundinformationen bezüglich ihrer Tätigkeit, des Projekts (zumindest hinsichtlich der Thematik) und ihrer Absicht, erhalten sie tendenziell bessere Ergebnisse. Einige KI-Tools ermöglichen eine individuell angepasste Interaktion anhand eines Nutzer:innenprofils und hochgeladener Dokumente, die den individuellen Stil repräsentieren. Wer nichts über sich selbst preisgeben möchte, muss der KI lediglich die richtige Rolle und Intention zuweisen.

Die folgenden Anweisungen (Prompts) veranschaulichen exemplarisch, wie eine Arbeitseinheit mit einer generativen Text-KI begonnen werden kann; weitere relevante Prompts für die Textarbeit finden Autor:innen im SchreibWende-Schreibratgeber.

„In deiner Rolle als Verlagslektor für [Genre] überarbeitest du die von mir vorgelegten Textauszüge mit Fokus auf [gewünschter Aspekt, z. B.: Präzision, Lebendigkeit, Überzeugungskraft – für Inspirationen ist das Kapitel ‚2.6.1 Praktische Tipps zur Vermeidung häufiger Fehler‘ aus dem SchreibWende-Ratgeber empfehlenswert]. Achte darauf, eine klare Struktur beizubehalten, den roten Faden nicht zu verlieren und die Kernbotschaft optimal zu transportieren.“

Autor:innen können der KI die Lektorinnenrolle flexibel zuteilen; bewährt hat sich auch: „Als Lektor eines renommierten Fachbuchverlags bearbeitest du die von mir vorgelegten Passagen eines Textes der Gattung [dein Genre oder bei Fachpublikationen z. B.: wissenschaftliche Abschlussarbeit] und verleihst ihnen einen [Stilwunsch, z. B.: fachlich-professionellen und präzisen] Stil.“

Für szenischeres Schreiben bzw. die Überarbeitung einzelner Sätze und Szenen in Richtung „Show, don’t tell“, das vielen (angehenden) Autor:innen erfahrungsgemäß manchmal schwerfällt, sind die folgenden Anweisungen hilfreich: „Szenischer darstellen/Show, don’t tell: [dein Textauszug]“. Oder/und: „Fokus auf Mimik und Gestik sowie die Sinne der Figur, was geht in ihr vor: [dein Textauszug]“. Ergänzend nach Wunsch: „Verbessere in deiner Rolle als Verlagslektor für [Genre] die Beschreibungen, um alle Sinnes-wahrnehmungen der Lesenden anzusprechen. Wie können visuelle, auditive, taktile, gustatorische oder olfaktorische Details verstärkt werden?“

Chatbots als Lektoratsersatz für Selfpublisher:innen?

Bots können die Komplexität menschlichen Denkens und die Feinheiten kreativer Ausdrucksweisen noch nicht vollständig und in allen Zusammenhängen erfassen. Da es KI-generierten Texten demnach aktuell noch an Tiefe, Nuancierung und Originalität mangelt, eignen sie sich kaum für eine geistreiche Auseinandersetzung. Wo ein professionelles Lektorat Texte ganzheitlich und rückverfolgbar optimiert, ohne den persönlichen Stil der Autor:innen zu entfremden oder Passagen unbekannter Dritter hinzuzufügen, passen Sprachmodelle die Vorlagen anhand statistischer Berechnungen an einen zu erwartenden Duktus und logische Wortfolgen an, erfassen aber keine Wörter oder Sätze. Tiefsinnige Analyse und Reflektion bleiben damit Domänen der menschlichen Intelligenz, während Sprachmodelle lediglich Alternativen erzeugen und die wahrscheinlichste auswählen – mit dem Ergebnis bestenfalls durchschnittlicher Texte.

Zudem ist die vielfach gepriesene Korrekturfähigkeit der Sprachmodelle noch lange nicht auf dem Niveau menschlicher Lektor:innen und Korrektor:innen angelangt. Kritisches, menschliches Denkvermögen bleibt deshalb derzeit noch unverzichtbar, gerade wenn es darum geht, die zunehmende Menge an KI-generierten Texten vor der Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen. Neben grammatikalischen und orthografischen Fehlern verursachen Sprachbots weiterhin inhaltliche Inkonsistenzen, Logikbrüche und neigen dazu, zu halluzinieren, um den Nutzer:innen möglichst befriedigende Antworten (Outputs) zu liefern. Ohne die Endkontrolle durch Menschen drohen somit sprachlich wie inhaltlich sinnentleerte Texte, die wiederum vom nächsten KI-Tool aufgenommen und weitergegeben werden. Mit dem Effizienzgewinn der KI-Modelle wächst nämlich auch die Gefahr der Selbstsabotage: Stammt ein Großteil der Trainingsdaten von der KI selbst, bleiben Lerneffekte aus oder kehren sich sogar um. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Überarbeitung KI-generierter Texte durch die KI selbst zu immer schlechteren Ergebnissen führt.

Die Krux mit dem Urheberrecht: Plagiate verkaufen?

Da generative Text-KI auf eine enorme Datenbank an eingespieltem Material zurückgreift, häufen sich mittlerweile Nachweise von Rechteinhaber:innen, die plagiierte Textstellen in KI-generierten Texten enttarnt haben. Neben traditioneller Plagiatssoftware existieren heutzutage präzise KI-Tools, die von Sprachmodellen gestohlene Passagen aufspüren. Deshalb sollten sich Überarbeitungen, die mithilfe einer KI passieren, nur auf selbst verfasste Originale beschränken. Zwar greifen Autor:innen beispielsweise auch auf das geistige Eigentum menschlicher Lektor:innen zurück, sofern lektorierte Passagen übernommen werden, jedoch sollten KI-Texte nicht einfach derart angeeignet und in Projekte eingespeist werden, wie es im Rahmen von Lektoraten passiert.

Zudem gilt zu bedenken: Die Flut minderwertiger KI-Inhalte wird sich langfristig negativ auf Literatur, Kultur und Gesellschaft auswirken, wobei das volle Schadensausmaß noch nicht abzusehen ist. Zu befürchten steht, dass jemand, der mit fremden Text(teil)en oder rein KI-generierten Texten Profit erzielen möchte, vor keiner noch so fragwürdigen Methode zurückschrecken wird, um mit minimalem Aufwand massenhaft (qualitativ minderwertige) Texte in den Markt einzuspeisen. Diesbezüglich sind auch Selfpublishing-Plattformen gefragt, ihre Kontrollmechanismen zu adaptieren, um solche Publikationen zu erkennen und zu entfernen.

Fazit

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten generativer Text-KI sollten Autor:innen leidenschaftliche Gegner:innen von Publikationen bleiben, die mithilfe von KI-Tools erstellt oder durch simples Copy-and-paste zusammengeschustert wurden. Wer sich keinen Satz mehr selbst überlegt und schreibt, sondern dreist künstlich generierte Texte ohne Kennzeichnung als eigene ausgibt, darf sich nicht länger „Autor:in“ nennen. Das sorgfältige Abwägen zwischen der Nutzung neuer Technologien zur Unterstützung kreativer Prozesse und dem Erhalt der typisch menschlichen und authentischen Charakteristika literarischer Texte, die den Literaturbetrieb so bereichernd machen, ist essenziell.

Aufgrund der rasanten Entwicklung sind die kontinuierliche Evaluierung der eigenen KI-Nutzung und regelmäßige Weiterbildung unerlässlich, wenn mit KI gearbeitet wird. Potenzielle sowie unbeabsichtigte Folgen neuer Entwicklungen sind zu beachten, und es ist stets eine verantwortungsvolle, ethisch fundierte Herangehensweise zu wählen. Die zunächst oft gelungen wirkenden Texte müssen sowohl gegenwärtig als auch künftig kritisch hinterfragt und einer gründlichen Überarbeitung unterzogen werden, um den qualitativen Verfall sowohl der Sprache als auch der Literatur zu vermeiden.


Weiterführende Informationen

Für alle Autor:innen, die sich für das Schreiben und Überarbeiten mithilfe von KI interessieren und zusätzlich nach professionellen Tipps aus dem Lektorat suchen, empfiehlt sich der SchreibWende-Schreibratgeber. SchreibWende beleuchtet die aktuellsten Entwicklungen, stellt nützliche Tools vor und bietet praktische Schreibübungen samt praktikabler Prompts. Ergänzend dazu erscheint in Kürze das SchreibWende-Workbook, das weitere Schreibübungen beinhalten und es Autor:innen ermöglichen wird, die Tastatur der generativen Text-KI sicher und effektiv zu bedienen. Beide Publikationen unterstützen Schreibende dabei, das Potenzial künstlicher Intelligenz optimal für Schreibprojekte zu nutzen und gleichzeitig die Qualität eigenständig erstellter Texte anhand professioneller Lektoratsmethoden zu verbessern.


Claudia Sternat

Claudia Sternat, Germanistin, Lektorin, Schreibcoachin und Gründerin des Lektoratsbüros Textariat, lektoriert und erstellt seit knapp 20 Jahren Texte aus diversen akademischen Fachgebieten, der PR-Branche, dem Literaturbetrieb und den Social Media. Als vielseitige Expertin verfügt sie über breit gefächerte Erfahrungen im Lektorat, in der Texterstellung, Organisation, Motivation und Content Creation. Neben ihrer Tätigkeit als Ghostwriterin für Sachtexte und Belletristik leitet sie im SchreibWende-Projekt Schreibende an, generative Text-KI gewinnbringend für den Schreibprozess zu nutzen und dabei die Risiken im Blick zu behalten. Mit Fokus auf Qualitätssicherung vermittelt sie Strategien, die Autor:innen dabei unterstützen, sich in einer zunehmend von KI-generierten Texten geprägten Buchlandschaft erfolgreich zu positionieren.