Über die Inspiration, Netflix und das Schreiben

Self-Publisher Jan Baßler, welcher Autor der Fantasyserie „Kronen der Allmacht“ ist, war so freundlich uns seine persönlichen Erfahrungen und Tipps, als und für angehende Selfpublisher, in einem kleinen Gastbeitrag mitzuteilen.
Als Autor einer Fantasyserie mit bereits drei veröffentlichten Büchern, welche die Geschichte in Form von Episoden erzählen, ist Jan Baßler bestens vertraut mit dem Schreiben und Veröffentlichen von Büchern. Daher ist unser heutiger Gast-Autor ebenfalls in einer guten Position, um über die Inspiration, den Schreibprozess sowie den kleinen Tricks zum Visualisieren der neuen Welt, zu erzählen. Daher nun Bühne frei für Jan Baßlers Worte über seinen Weg zum Self-Publisher und seine Erfahrungen:
Das erste Publikum, das eine meiner Geschichten hatte, bestand aus meinen Freunden. Ich las ihnen eine witzige Anekdote vor, inspiriert von den Poetry Slams, die ich in dieser Zeit verfolgte. Ich war aufgeregt, abgesehen von meiner Freundin war niemals jemand Zeuge meiner geistigen Ergüsse geworden. Meine Hände zitterten, während ich den Laptop auf meinem Schoß balancierte und mit heißerer Stimme von dem fleckigen Bildschirm ablas. Würden sie es mögen? War diese Geschichte wirklich so lustig, wie ich glaubte, oder war ich einem peinlichen Irrtum aufgesessen? Nach einigen angespannten Sätzen erfolgte das erste Gekicher, dann ein weiteres, lauter als das vorherige, und schließlich kugelten sich meine Freunde vor Lachen. Und das taten sie nicht, weil sie sich dazu verpflichtet fühlten, das spürte ich. Da erkannte ich zum ersten Mal, dass mein Geschreibsel Menschen begeistern konnte.
Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört zu schreiben. Aus einer Laune wurde ein Hobby und schließlich eine Obsession. Einen halb fertigen Horrorroman sowie eine Spaceopera brachte ich aufs elektronische Papier, aber erst mit meinem Fantasyroman „Der letzte Todeshexer“ war ich soweit zufrieden, dass ich mir sagte: „So, Jan, das kannst jetzt aber mal raushauen!“ Gesagt getan. Ich habe das Buch auf KDP, dem Publisher Service von Amazon hochgeladen, und mit dem Klick auf den unscheinbaren Button „Veröffentlichen“ veränderte sich mein Leben.
Nun, drei Jahre später, lautet meine offizielle Berufsbezeichnung „freiberuflicher Autor“. Ich bin weit davon entfernt, bekannt zu sein, aber meine Fangemeinde wächst stetig und ich kann gut von dem Verkauf meiner Bücher leben. Wenn mir nun jemand während eines sozialen Events die obligatorische Kennenlernfrage stellt „Und, was machst du so?“, kann ich mit vor Stolz geschwellter Brust antworten „Ich bin Schriftsteller.“ Sollte mein Gegenüber dann Zweifel oder Unglauben verbalisieren, ziehe ich lässig eine Augenbraue hoch und sage: „Google mich.“ (Ha, das wollte ich schon immer einmal sagen!)
Aber trotz dieser Zuschaustellung meines von Fanmails gedopten Egos, sehe ich natürlich ein, dass ein großer Teil meines Erfolgs auf purem Glück beruht. Mein Buch ist bei Gott kein Meisterwerk. Die Kombination aus Cover und Klappentext kam gut an, was eine gewisse Sichtbarkeit zu Beginn generierte, und der Inhalt traf den Nerv einer von „Game of Thrones“ gehypten Leserschaft. Auf so etwas hat man meinen keinen Einfluss. Es passiert oder es passiert nicht.
Diese Aussage ist freilich unbefriedigend für jeden angehenden Autor und so ganz stimmt sie auch nicht. Glück gehört definitiv dazu, aber es gibt so Einiges, was man tun kann, um seine Chancen zu verbessern. Bevor man sich jedoch darauf konzentriert, braucht man zuerst einmal eine Idee, vorzugsweise eine gute. Aber woher kommen die eigentlich, diese ominösen Ideen?
Während meines Germanistikstudiums besuchte ich einmal ein Seminar zu diesem Thema. Die vier Phasen des kreativen Prozesses war der Titel, in dem mein Dozent seine Theorie des kreativen Schaffensprozesses postulierte. Die lautet in etwa wie folgt: Alles beginnt damit, dass eine kreative Person ein Problem wahrnimmt, dessen sie sich annehmen will. Wobei der Begriff des Problems hier missverständlich sein kann. Für einen Autor kann sich dieses nämlich darin äußern, dass er zum ersten Mal Star Wars sieht (sehr unwahrscheinliches Szenario, ich weiß), und sich denkt „Wow, wie cool sind eigentlich diese Lichtschwerter? So was will ich auch machen!“ In diesem Moment startet die zweite Phase, die sogenannte Inkubationsphase. Die Idee infiziert die Gedanken unseres Autors, breitete sich in seinem Unterbewusstsein aus, während er – oder sie – Geschirr spült, Wäsche wäscht oder sonst irgendetwas Nebensächliches tut. Und dann irgendwann, wenn die Idee lange genug zwischen den Neuronen herumgesprungen ist wie ein Flipperball, erfolgt der berühmte Geistesblitz, die Inspiration sprießt und eine Lösung für das Problem ist gefunden. Besonders faszinierend daran finde ich, dass sich in unserem Unterbewusstsein offenbar Denkprozesse abspielen, die vor uns verborgen bleiben und erst „ausbrechen“, sobald sie reif sind. Wie eine Krankheit eben, deshalb auch der Begriff der Inkubation.
In meinem Fall beginnt die Infektion mit dieser Krankheit ähnlich wie bei unserem Beispielautor – ich werde von anderen Geschichten angesteckt. Ob Film, Buch, Comic, Serie, Videospiel, Anime, egal. Alles wird aufgesogen. Netflix and Chill ist so etwas wie mein Lebensmantra. Vieles von dem, was ich sehe, höre oder lese fließt dann in der ein oder anderen Form in meine Bücher ein. Das hat nichts mit Ideenraub zu tun, schließlich kopiere ich nicht, ich transformiere und modelliere. So ist das vermutlich bei den meisten Künstlern. Niemand kann etwas aus dem Nichts erschaffen, es muss immer etwas geben, das die Form vorgibt oder wenigstens beeinflusst.
Aber die Inspiration allein hat noch kein Buch geschrieben, sie ist nur der erste, wenn auch wichtigste Schritt auf diesem mühseligen Weg. Denn das Schreiben ist neben einer Kunst eben auch ein Handwerk. Und ein Meister seines Handwerks wird man nur durch Übung und ständige Weiterbildung. Wo wir bei den dem wären, was man tun kann, um die Chance auf Erfolg zu verbessern.
Zu Beginn meiner Schriftstellerei habe ich nur geübt, soll heißen, nur geschrieben. Das ist zwar wichtig – für einen Autor ist es schließlich unabdingbar, regelmäßig an seinem Schreibstil zu arbeiten –, aber ich behaupte, dass es mindestens genauso wichtig ist, sich mit dem Geschichtenerzählen und der Theorie dahinter auseinanderzusetzen. Deshalb lese ich inzwischen viel zu dem Thema, lerne, wie man seinen Roman strukturiert, wie man einen nachvollziehbaren Character-Arc spannt und den Leser bei Laune hält (hier kann ich die Bücher von K. M. Weiland nur empfehlen). Außerdem höre ich mir Podcasts zum Thema an und schaue Youtube-Videos über das Worldbuilding, um meine fiktiven Welten glaubhaft zu gestalten.
Auch gibt es einige Hilfsmittel, die gerade Weltenbauern das Leben einfacher machen, wie zum Beispiel World Anvil. Das kostenlose Tool macht es möglich, die Myriaden von Einfällen zur eigenen Welt, die auf einen einprasseln, systematisch zu ordnen und in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen. In diesem Kontext will ich auch die vielen Mapmaker-Programme nicht unerwähnt lassen, mit denen man in kurzer Zeit richtig schicke Karten der eigenen Welten fabrizieren kann (ich schwöre ja auf Wonderdraft). Da muss man zwar ein paar Euros investieren, aber das ist es mir persönlich allemal wert, da ich einen besseren Bezug zu meiner Welt aufbaue, wenn ich sie mit all ihren Städten, Bergen, Flüssen und Seen vor mir sehe.
Für mich war es übrigens keine bewusste Entscheidung, Fantasy zu schreiben. Wie bereits erwähnt, habe ich einen Horror- und einen Sci-fi-Roman geschrieben, bevor ich den ersten Teil meiner Fantasysaga veröffentlichte. Aber nun, da ich Kopf voran in dieses Genre eingetaucht bin und wohl so schnell auch nicht mehr herauskomme, weiß ich seine Vorzüge durchaus zu schätzen. Allen voran den der Freiheit. Und das meine ich nicht nur in dem Sinne, dass man seinen Gottkomplex ausleben und eine komplette Welt erschaffen kann. Wenn man es genau betrachtet, ist Fantasy nämlich das vielschichtigste Genre, das es gibt. Man kann innerhalb seiner Parameter eine Liebesgeschichte erzählen, eine Kriegsgeschichte, einen Thriller, ja sogar Horrorelemente kann man in eine Fantasywelt einbauen (Stichwort: GoT und die Armee der Toten).
Aber für welches Genre man sich als Selfpublisher-Autor auch entscheidet und egal wie viel man geübt und gelernt hat, ohne ein ansehnliches Cover hilft das alles nur wenig. Ich habe das Glück (da ist es wieder) mit einem Photoshop-Fanatiker befreundet zu sein, der sich um die meisten meiner Cover kümmert. Wenn man so jemanden nicht zur Hand hat, rate ich dringend dazu, einen professionellen Designer zu beauftragen. 99designs kann ich diesbezüglich nur wärmstens empfehlen. Dort stellt man eine Anzeige ein, in der man seine Wunschvorstellungen von dem Cover beschreibt, und je nachdem welches Preissegment man gewählt hat, reichen dann zwanzig bis hundert Designer ihre Entwürfe dazu ein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Auswahl einfach unschlagbar ist.
Wenn dann alles passt – Storytelling, Schreibstil, Cover – und man eine Geschichte geschrieben hat, die den Geschmack der Leser trifft, dann kann es vorkommen, dass man für eine lange Zeit nichts anderes tut. So wie es mir passiert ist.
Natürlich habe ich noch einen langen Weg vor mir. Meine (hoffentlich erfolgreiche) Karriere als Selfpublisher hat gerade erst begonnen und mir ist klar, dass sie genau so schnell enden kann, wie sie angefangen hat. Sicherheit ist etwas, das man als selbständiger Künstler über Bord wirft. Trotzdem gibt es nichts, das ich lieber tun möchte. Das Schreiben und alles, was daran gebunden ist – das Recherchieren, Weltenbauen, Lernen, ja selbst das zum Teil anstrengende Social-Media-Marketing –, lässt mich meine Kreativität auf eine so freie Weise ausleben, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.
Manchmal frage ich mich, ob all das überhaupt möglich gewesen wäre, wenn ich nicht in einer Winternacht auf dem Balkon einer WG gesessen und meinen Freunden einen kurzen Text vorgelesen hätte.
Doch nun ist Jan Baßler ein erfolgreicher Self-Publisher und plant bereits die Veröffentlichung des vierten Buches seiner Fantasyserie.
